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Eberharter: "Maier war eine spezielle mentale Prüfung!"

Ski1-Expertin Niki Hosp trifft Stephan Eberharter. Ein Gespräch über seinen rasanten Aufstieg, den tiefen Fall und seine Erfolge im Schatten des "Herminators".

Eberharter: Foto: © getty

Stephan Eberharter (im Bild bei seiner Fahrt zu RTL-Olympia-Gold 2002 in Park City) ist eine österreichische Ski-Legende. Rund um die Heim-Ski-WM 2025 in Saalbach wird der Zillertaler wieder in aller Munde sein.

Vor 34 Jahren schrieb der damals 21-Jährige im Salzburger Ski-Mekka ein Sport-Märchen. Als junges Talent mit gerade einmal einem Podestplatz (Dritter beim Super-G im Dezember 1990 in Valloire) angereist, verzauberte der Tiroler Draufgänger die Skifans mit zwei Goldmedaillen.

Der vor der WM nur Insidern bekannte Steff kürte sich im Jänner 1991 mit den Siegen in der Alpinen Kombination und im Super-G zum Doppel-Weltmeister. Der Jungstar strahlte mit der Sonne um die Wette. 14 Tage lang trübte damals keine einzige Wolke am Himmel das Skifest auf dem Zwölferkogel. 

Der gefeierte Held wurde herumgereicht, spielte TV-wirksam auf seiner Harmonika den Zillertaler Hochzeitsmarsch und war mit einem Schlag "Everybody's Darling".

Am Ende der Saison sicherte sich Eberharter noch den österreichischen Meistertitel im Slalom und wurde zu Österreichs "Sportler des Jahres" 1991 gekürt.

Filmriss! Verletzungen, Materialprobleme, Absturz.

Was einst passierte, erzählt Eberharter Ski1-Expertin Nicole Hosp in ihrem Format "Niki trifft..."

Es hat mich tief beeindruckt, wie du einst als Doppel-Weltmeister in ein tiefes Loch gefallen bist und dann Jahre später erst so richtig eine große Karriere mit Olympia-Gold, -Silber und -Bronze, einem weiteren WM-Titel sowie zwei Gesamtweltcup-Erfolgen und 29 Weltcup-Siegen hingelegt hast. Wie war das möglich?

Stephan Eberharter: Ich sehe die sportliche Karriere immer als Gesamtes. In den jungen Jahren - im Alter zwischen zehn und zwanzig Jahren - bin ich aufgestiegen wie eine Rakete. Dann bin ich mit 21 Jahren Doppel-Weltmeister geworden und es ging danach senkrecht in die andere Richtung.

Was war passiert?

Eberharter: Verletzungen, Materialprobleme und daraus resultierend war dann auch die mentale Verfassung logischerweise nicht die Beste. Aus diesem Teufelskreis wieder rauszukommen, ist nicht einfach. Ich konnte klar denken und habe mich gefragt, was läuft da jetzt falsch. Nach zwei, drei Jahren hörst du plötzlich, dass das mit den zwei WM-Titeln mit 21 Jahren ja vielleicht nur ein Zufall war und der Eberharter eigentlich eh nix taugt. Ich habe da immer gewusst, dass die Phase zwischen zehn und 20 Jahren, wo ich immer bei den Besten dabei war, kein Zufall war. Ich wusste, dass ich Skifahren kann. Und das Wichtigste bei einem Sportler ist die Gesundheit. Darauf habe ich aufgebaut. Das hat sich allerdings dann leider länger hingezogen.

Und die Probleme mit dem Material?

Eberharter: Anfang der 1990er-Jahre hat es da einen größeren Umbruch gegeben. Es wurde fast ausschließlich nur noch auf Kunstschnee gefahren. Das heißt, das Material war komplett im Umbruch. Plötzlich sind auch noch die Bindungsplatten aufgetaucht und jede Ski-Firma hatte ab sofort ihre eigene Bindung im Programm. Dazu dann auch noch eigene Schuhe. Zu der Zeit ist richtig viel passiert auf diesem Sektor. Heute ist es normal, dass ein Ausrüster alles aus einer Hand anbietet - Ski, Bindung, Schuh, das hat es zu der Zeit, als ich in Saalbach Doppel-Weltmeister wurde, nicht gegeben. Es war also schwierig, das richtige Setup zu finden. Wenn du verletzt bist, geht es sowieso nicht und danach braucht es einfach seine Zeit, bis du wieder volles Vertrauen in dein Knie und deinen Körper hast.

"Down-Phase war für mich persönlich gar nicht so schwierig"

Foto: © getty

Bist du in dieser Situation nicht verzweifelt?

Eberharter: Langer Rede kurzer Sinn: Für mich war die ganze Karriere super. Weil diese Down-Phase, diese fünf Jahre, in denen nichts gegangen ist, wo ich ums sportliche Überleben gekämpft habe, waren für mich persönlich gar nicht einmal so schwierig. Weil ich mir immer wieder gesagt habe, sei darauf gefasst, wenn es einmal in die andere Richtung geht.

Was hat dir da geholfen?

Eberharter: Was ich gehabt habe, das war Leidenschaft. Mir hat das immer getaugt. Mein Vater hat mir das gut vermittelt, ohne Druck und ohne große Ziele. Ich wollte Rennfahrer werden und ich habe das leidenschaftlich wollen. Leidenschaft heißt, wenn du etwas können willst, dann musst du dafür etwas geben. Eine Leidenschaft schafft Leiden. Auf dem Weg nach oben hast du viele Leiden zu ertragen. Das habe ich gehabt. Ich habe nie die vielen Euros oder andere Dinge vor Augen gehabt. Wobei ich im Hinterkopf schon immer hatte, ich mache das, um später eine Basis für ein gutes Leben zu haben. Natürlich war das auch eine Triebfeder, die richtige Triebfeder aber war, dass ich das gelebt habe. Im Skisport muss man schon sehr gut unterwegs sein, um sich eine gute finanzielle Basis für nach der Karriere zu schaffen. Mit fünften und zehnten Plätzen hat im Skisport niemand ausgesorgt. Ich habe wahnsinnig viel aus dieser negativen Karrierephase heraus für mich persönlich gelernt. Ich habe mir immer gesagt, höre nicht auf andere, lass dich nicht durch Zurufe von außen beeinflussen. Ich habe die Lage für mich analysiert, habe herausgefunden, was falsch läuft und bin immer meiner Linie treu geblieben. Als sich meine Laufbahn dann wieder ins Positive gedreht hat, habe ich gemerkt, wie extrem sich das auf das Mentale auswirkt. Da kann dir dann niemand mehr irgendetwas von einem mentalen Training oder so erzählen. Deswegen habe ich auch nie ein Mentaltraining in Anspruch genommen.

Welche Erfolge haben dich dann am meisten geprägt?

Eberharter: Die waren alle super. Egal, ob das im kanadischen Lake Louise, wo kaum Zuschauer dabei waren, oder in Kitzbühel passierte. Natürlich ist der Sieg auf der Streif - wenn dann alle sagen, das war die beste Fahrt aller Zeiten – oder ein WM-Titel bzw. Gold bei Olympia sehr schön, aber alle Siege schmecken wunderbar.

Hast du niemanden gehabt, der dir geholfen hat, aus deinem richtig tiefen Karriere-Loch rauszukommen?

Foto: © GEPA

Eberharter: Nein, nie! Ich habe gewusst, woran es liegt. Mir war klar, dass ich zuerst wieder hundertprozentig gesund werden und beim Material ganz vorne mitspielen muss. Wenn das passt, hatte ich das Vertrauen, wieder vorne dabei zu sein. Und so war es dann ja auch. Es hat sich halt ein wenig länger hingezogen, da ich neben der Knieverletzung auch noch einen Schlüsselbeinbruch hatte. Dazu war das Knie nicht gut gemacht, da musste ich dann auch noch eine Meniskusoperation überstehen. So hat sich das dann halt fünf Jahre hingezogen. Aber als Körper und Material dann gepasst haben, da war ich dann wieder voll da.

Und ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt ist Hermann Maier groß rausgekommen...

Eberharter: Ja, zu der Zeit ist gerade der Stern von Hermann Maier aufgegangen. Da habe ich dann gesehen, wie wichtig es ist, voll fit zu sein. Als da der eine oder andere Kollege dann mental ein wenig weggeknickt ist, habe ich mir gesagt: so, da halte ich jetzt voll dagegen. Und ich habe ganz genau gewusst, wie schwer es wird, gegen Maier zu bestehen. Er hat viele Rennen gewonnen, aber ich habe eisern dagegengehalten und nie aufgegeben. Ich habe gewusst, dass ich dranbleiben muss und dann werde auch ich wieder Rennen gewinnen. Und ein paar Rennen habe ich dann ja auch noch gewonnen…

29 Weltcupsiege sind großartig. Und das im medialen Schatten von Hermann Maier.

Eberharter: Das war dann noch einmal eine spezielle mentale Prüfung für mich. Ich habe nie viel darauf gegeben, was die Medien über mich berichten oder die Leute im Skizirkus über mich denken. So egoistisch war ich schon, dass ich die Leistungen ausschließlich für mich erbringen wollte. Nicht für Österreich, nicht für meine Eltern, sondern nur für mich selbst, ausschließlich für mich. Ich war dankbar, dass mir mein Vater in den Anfangsjahren die finanzielle Unterstützung zukommen hat lassen, um den Weg zu gehen und mir dann – als ich an der Spitze oder aber auch am Tiefpunkt war – nie dreingeredet hat oder mir unbedingt Tipps geben wollte. Er hat zu jedem, der ihn gefragt hat, immer nur gesagt: "der Bua macht seinen Weg". Und ich habe diesen Weg nur für mich gemacht und sonst für niemanden.


Niki's Versicherungs-Tipp: Den Lieblingssport der Österreicher:innen übt man am besten nur gut versichert aus – einfach. klar. helvetia.


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