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Ski-Zukunft auf dünnem Eis - Die FIS muss endlich handeln!

Ski-Rennen im Oktober – muss das wirklich noch sein? Der Ski-Sport verliert immer mehr an Glaubwürdigkeit. Eine Reform des Renn-Kalenders muss her. Kommentar:

Ski-Zukunft auf dünnem Eis - Die FIS muss endlich handeln! Foto: © GEPA

Bist du schon in Winter-Stimmung?

Egal, wie deine Antwortet jetzt lautet – kommende Woche beginnt die Ski-Weltcup-Saison. So oder so.

Am Rettenbach-Gletscher hoch über Sölden im Ötztal wird am 28. und 29. Oktober mit den beiden Riesentorläufen der Frauen und Männer (im LIVE-Ticker) der (Renn-)Winter eingeläutet.

"Wenn ich kein Skifahrer wäre, dann würde ich jetzt wahrscheinlich noch gar nicht an Skifahren denken", sagte ÖSV-Star Marco Schwarz erst in der Vorwoche bei einem Medientermin in Salzburg bei sonnigen 24 Grad. Wie muss es da erst den Fans gehen?

Irgendwie kommt der Saison-Auftakt ja immer zu früh. War es früher eher ein Geplänkel der Athleten, die gegenüber der Konkurrenz tiefstapeln wollten, nimmt heute die Kritik am Zeitpunkt des Weltcup-Starts mehr und mehr zu.

"Ist jetzt die Zeit für Skirennen?", fragte Mikaela Shiffrin zuletzt und gab sogleich die Antwort: "Vermutlich eher nicht."

Eine Alibi-Aktion der FIS

Dabei erfolgt der Weltcup-Auftakt 2023 sogar später als noch im vergangenen Jahr. Die FIS hat aufgrund des Klimawandels entschieden, den Saisonstart nach hinten zu verschieben – um eine ganze Woche. Wow!

Eine reine Alibi-Aktion, die vieles zeigt, nur nicht, dass der Ski-Weltverband das Thema Klimawandel und seine Auswirkungen auf den Skisport (und vice versa!) ernst nimmt.

Während die FIS, allen voran Präsident Johan Eliasch, offenbar nur die Dollar-Zeichen in den Augen hat, übersieht sie die Zeichen der Zeit.

Eine Reform des Renn-Kalenders ist unerlässlich!

Nur weil es vor 30 Jahren Sinn gemacht hat, heißt es nicht, dass es das heute auch noch tut

Seit 30 Jahren schon wird die Weltcup-Saison Ende Oktober in Sölden eröffnet. Die Premiere 1993 wurde als Marketing-Coup gefeiert, die Ski-Industrie und die Touristiker rieben sich ob des frühen Saison-Starts die Hände und füllten sich jahrzehntelang die Taschen. Es sei ihnen vergönnt.

Aber nur, weil es vor 30 Jahren (vielleicht) Sinn gemacht hat, heißt es nicht, dass es das heute auch noch tut, beziehungsweise dass es noch gerechtfertigt werden kann. Die Frage "Muss das sein?" stellen sich viele zurecht. 

Die Umstände haben sich auf diversen Ebenen verändert. Das bekommt auch der Ski-Sport zu spüren. 

Die aktuelle Generation an Ski-Begeisterten mag vielleicht noch mitziehen, aber den Ski-Konsumenten der Zukunft wird man so kaum abholen können.

"Wenn die Leute im Zielraum im T-Shirt rumlaufen und jene vor dem Fernseher Badehose tragen, ist das nicht logisch", zeichnete Lara Gut-Behrami zuletzt im "Blick" ein vielsagendes Bild. "Das weckt bei ihnen doch keine Lust, selbst Skizufahren."

Damit könnte sie durchaus recht haben. Auch aus der Ski-Industrie ist zu hören, dass die Verkaufszahlen rund um den Weltcup-Auftakt längst nicht mehr so gut sind, wie sie es einmal waren.

Werbung für den Ski-Sport sieht anders aus

In Sölden und vielen anderen Weltcup-Orten ist es nicht erst seit diesem Jahr jedes Mal aufs Neue ein Wettlauf gegen die Zeit und Temperaturen. Die Tatsache, dass in der vergangenen Saison sieben der ersten acht Rennen abgesagt werden mussten, haben so manche Herrschaften wohl ebenso verdrängt wie die Bilder von weißen Schneebändern inmitten von grauen und grünen Landschaften (die man im TV oftmals nicht sieht).

Vielleicht hat die FIS ein anderes Verständnis von Marketing, aber Werbung für den Ski-Sport sieht definitiv anders aus. Das Sportliche wird zur Nebensache. 

Damit das klar ist: Hier geht es nicht nur um das Event in Sölden. Die Veranstalter im Ötztal operieren auch nur innerhalb eines Systems.

Was dort - und auch an vielen anderen Weltcup-Orten - alles unternommen wird oder werden muss, damit die Rennen stattfinden können, ist ein eigenes Thema, das diesen Rahmen hier sprengen würde – Stichwort Bagger am Gletscher. Notwendig und sogar nachhaltig sagen die einen, eine Katastrophe und Naturzerstörung die anderen.

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Es geht darum, dass sich der Skisport als Ganzes an die veränderten Gegebenheiten anpassen muss.

Sölden ist aber ein gutes Beispiel dafür, dass die FIS im Wettlauf gegen die Auswirkungen des Klimawandels deutlich im Rückstand liegt. Den einen oder anderen Einfädler hat man sich ohnehin schon geleistet.

Die negative PR nimmt man offenbar in Kauf. Die FIS macht bisher keine Anstalten, etwas zu ändern, sieht wenig Handlungsbedarf. Das machte Präsident Johan Eliasch bereits im Vorjahr im LAOLA1-Interview in Sölden deutlich:

"Hat der Skisport Auswirkungen auf die Gletscher? Ja. Und wir müssen auch alles tun, um diese Auswirkungen so gering wie möglich zu halten. Wir müssen auch darüber nachdenken, wie wir unseren ökologischen Fußabdruck minimieren. Aber wir müssen auch sicherstellen, dass unser Sport die Aufmerksamkeit bekommt, die er verdient. (...) Der frühe Start gibt uns ein längeres Zeitfenster für die Saison und je länger das Zeitfenster, desto attraktiver sind wir für die Fans. Und wenn wir attraktiver für die Fans sind, gibt es auch mehr Geld für die TV-Übertragungen. Und wenn wir mehr Geld von den TV-Übertragungen bekommen, können wir dieses in den Sport und die Athleten investieren", sagte Eliasch. "Das ist ein positiver Kreislauf."

Wie attraktiv Renn-Absagen und Verschiebungen für Fans und TV-Stationen sind, wollte Eliasch nicht beantworten.

Der Ski-Sport verliert schon jetzt immer mehr an Glaubwürdigkeit

Schon klar, es existieren teils mehrjährige Verträge mit Veranstaltern, TV-Anstalten und Sponsoren. Den kompletten Rennkalender von jetzt auf gleich umzukrempeln, wird alleine schon deshalb schwierig. 

Das darf aber keine Ausrede dafür sein, sich nicht jetzt schon mit der Zukunft zu beschäftigen und Änderungen in die Wege zu leiten. Eine Klima-Managerin anzustellen, reicht da wohl nicht aus, liebe FIS.

"Bis zu welchem Grad sollen wir unsere Umwelt an einen Zeitplan anpassen, den wir haben wollen? Oder sollten wir unsere Zeitpläne an die Umwelt anpassen?", gibt Mikaela Shiffrin zu bedenken.

Michele Gisin meint, auch in Hinblick auf die Reisen des Weltcup-Trosses: "Insgesamt habe ich den Eindruck, als würde man eher gegen die Natur arbeiten, anstatt sich angesichts des Klimawandels nach vorne zu bewegen."

Eine einfache Lösung wird es angesichts der komplexen Thematik und der Anzahl der großen Player im Ski-Business nicht geben.

Im Gegensatz zur FIS bemühen sich diverse AthletInnen zumindest um Vorschläge zur Anpassung des Weltcup-Kalenders – etwa einem Start Ende November und einem dementsprechend späteren Abschluss in kälteren Regionen im Frühjahr (Wohl wissend, dass willige und finanzkräftige Veranstaltungsorte außerhalb der Alpen rar sind). 

Immerhin geht es um ihren Sport und der verliert schon jetzt immer mehr an Glaubwürdigkeit. Das Problem: Die AthletInnen werden von den Entscheidungsträgern kaum gehört. 

Wenn die Sieger in Sölden vom Podest strahlen, wird das Thema vermutlich wieder Schnee von gestern sein. Aber eher früher als später wird ein Saisonstart im Oktober nicht mehr möglich sein, weil es schlichtweg zu warm sein wird.

Es wäre wünschenswert, wenn die Verantwortlichen bei der FIS bis dahin nicht nur am Pistenrand stehen und erst dann reagieren, wenn sie dazu gezwungen sind. Die FIS muss endlich handeln! 

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