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19 OPs! Bei Ortlieb wurden vor zwei Tagen noch Nähte gezogen

Bis vor wenigen Tagen wusste Nina Ortlieb nicht einmal, ob sie bei der WM starten kann, nun ist sie Abfahrts-Vizeweltmeisterin. Ihre irre Krankengeschichte.

19 OPs! Bei Ortlieb wurden vor zwei Tagen noch Nähte gezogen Foto: © GEPA

Es war der 20. Jänner 2021. Nina Ortlieb stürzt im Abfahrts-Training in Crans-Montana schwer.

Meniskus, Kreuzband, Innenband und Patellasehne waren gerissen, das Knie ein "Totalschaden". 

Die Vorarlbergerin kämpft sich – nicht das erste Mal in ihrer Karriere - mühsam zurück. Fast zwei Jahre bestreitet sie kein Rennen. Gleich in ihrem zweiten Rennen nach dem Comeback fährt sie in der Abfahrt in Lake Louise als Zweite aufs Podest.

Am 21. Jänner, fast auf den Tag genau zwei Jahre nach ihrer Horror-Verletzung, der nächste Rückschlag. Ortlieb stürzt in der Abfahrt in Cortina d’Ampezzo schwer. Die Folge: eine Gehirnerschütterung.

Für Ortlieb begann ein Wettlauf gegen die Zeit im Kampf um ihren ersten Start bei einem Großereignis - den sie gewann und Silber in der Abfahrt gleich dazu.

Ergebnis der WM-Abfahrt>>>

19 Operationen: "Das ist einfach nicht normal"

"Es war lange nicht klar, ob ich wirklich starten kann. Ich bin erst am Sonntag angereist und nach dem ersten Mal Skifahren haben wir entschieden, dass ich es probieren will. Es war schon sehr knapp", erzählt Ortlieb.

Zwei Tage vor der WM-Abfahrt wurden der Vorarlbergerin vom ÖSV-Teamarzt noch die Nähte von der letzten Operation gezogen. Nach ihrem Sturz in Cortina bildete sich an der Hüfte ein großes Hämatom, das durchgespült werden musste.

Es war dies Operation Nummer 19 in der Karriere von Nina Ortlieb.

"So viele Operationen, das ist einfach nicht normal", weiß Vater Patrick Orlieb, welchen Preis seine Tochter für den Erfolg schon gezahlt hat. „Sie ist vom Charakter her einfach eine Kämpferin, immer am Limit, egal was sie macht. Und sie will immer die Beste sein. Sie hat gesundheitlich schon sehr teuer dafür bezahlt“, sagt der Abfahrts-Weltmeister von 1996 im Ö3-Interview. Umso schöner sei nun dieser Erfolg.

"Es ist eine Belohnung und Bestätigung, dass man auf dem richtigen Weg ist und dass sich die ganze Mühe auszahlt", sagt Nina Ortlieb.

Die irre Krankenakte von Nina Ortlieb

Gedanken ans Karriereende hatte die 26-Jährige trotz ihrer langen Leidensgeschichte – unter anderem stehen ein Oberarm-Trümmerbruch, Schambeinbruch, ein Bruch im Becken, zwei Sprunggelenks-Verletzungen, drei Brüche des Mittelhandknochens, eine Schulterluxation samt Knochentransplantation, eine Rippenfraktur sowie einige Brüche der Nase auf ihrer Krankenakte – noch nie, wie sie sagt.

"Natürlich hadert man und denkt, ist es das noch wert? Aber dafür mache ich es zu gerne. Es ist in einem drinnen, dass man weiß, es steckt noch mehr in einem", erklärt Ortlieb und meint demütig: "Es ist ein Privileg, heute hier zu stehen. Gerade als Österreicherin schafft man es gar nicht so leicht zu einem Großereignis. Das ist eine Ehre, wenn man bei einer WM dabei sein darf."

Auch ihre Teamkolleginnen wissen, was Ortlieb in den letzten Monaten durchgemacht hat.

"Mit den ganzen Operationen und Wehwehchen – ich glaube nicht, dass sie schmerzfrei gefahren ist. Hut ab, eine Wahnsinns-Leistung, dass sie es so auf den Punkt gebracht hat", sagt Stephanie Venier.

"Sie wird es emotional in alle Himmelsrichtungen zerreißen"

Conny Hütter, selbst von vielen Verletzungen geplant und im Super-G als Dritte am Podest, kanns ich nur zu gut in Ortlieb hineinversetzen.

"Sie wird es wahrscheinlich emotional in alle Himmelsrichtungen zerreißen, aber das ist auch gut so. Man sollte den Moment genießen", sagt die Steirerin. "Was Nina körperlich die letzten Monate und Wochen mitgemacht hat war sicher nicht einfach. Schön, dass heute am Tag X alles wieder zusammenpasst hat."

Die Zusage für ein WM-Ticket bekam Ortlieb bereits nach ihrem Podestplatz in Lake Louise im Dezember. Die Speed-Spezialistin konnte sich ihre Kräfte nach dem Sturz in Cortina somit einteilen, ohne den Druck in die interne Qualifikation zu müssen.

Diese Strategie ging am Samstag voll auf. "Ich habe mich über zwei kleine Fehler geärgert und hätte nicht damit gerechnet, dass nach mir keine mehr schneller ist", schildert sie das Rennen sachlich.

Ortlieb spricht auch dem größten Erfolg ihrer Karriere mit ruhiger Stimme, ohne große Emotionen.

"Ich bin oft sehr nüchtern und kann das gut analysieren, was alles gewesen ist", sagt Ortlieb. "Aber ich glaube, wenn mir dann die Medaille überreicht wird, wird es schon emotionaler und ich kann alles realisieren."

Medaillenspiegel der Ski-WM 2023>>>

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