Nicht nur für "Tschofe" ist dieser Tage ein Traum wahr geworden - sondern auch für mich.
In Wien geboren, liegen mir jegliche Wintersport-Arten seit Kindheitstagen am Herzen. Etwas ungewöhnlich würde man meinen, immerhin könnte ich die Schneetage der letzten 25 Jahre in der Bundeshauptstadt an meinen beiden Händen abzählen.
Das ist eben ein Klischee, das man sein Leben lang nicht loswerden wird. Doch ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass bei meinen Großeltern am Wochenende die aktuellen Ski-Rennen oder Skisprung-Bewerbe über den TV-Bildschirm flimmerten.
Und so wurde ich über kurz oder lang mit dem "Wintersport-Virus" infiziert. Speziell die Weitenjäger haben mich stets fasziniert, meine erste und zugleich prägendste Tournee-Erinnerung muss das Herzschlagfinale 2005/06 zwischen Janne Ahonen und Jakub Janda sein.
Gleichzeitig wurde ich in den späten 00er- und frühen 10er-Jahren natürlich mit rot-weiß-roten Erfolgen regelrecht verwöhnt. Egal ob Gregor Schlierenzauers erster Tournee-Sieg in Oberstdorf, Wolfgang Loitzls perfekter Sprung in Bischofshofen oder Thomas Dietharts Sensation - all diese Momente werde ich mein Leben lang nie vergessen.
Umso größer war die Freude, als ich zur diesjährigen Tournee geschickt wurde. Denn ich war - Schande über mein Haupt - noch nie bei einem Skisprung-Bewerb live vor Ort. Es hat sich in der Vergangenheit einfach nie ergeben.
Konkret ging es nach Innsbruck und Bischofshofen, nach dem perfekten Auftakt in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen stieg auch bei mir die Erwartungshaltung an unsere ÖSV-Adler. Mir ging es aber vor allem darum, die unglaubliche Atmosphäre aufzusaugen.
Erste Eindrücke: Von "WOW" bis "Selbstmord"
Also ab in die Tiroler Landeshauptstadt, der Qualifikationstag ruft.
Irgendwie sind meine Reisen nach Innsbruck aber stets mit einer Sache verbunden: Staus. Wärst du doch mit dem Zug angereist, werden sich manche gerade denken. Eine gute Idee, gegen die jedoch mehrere, nicht näher benannte Aspekte gesprochen haben.
Es wurde lauter und lauter. Als Daniel Tschofenig als Erster des herausragenden ÖSV-Trios an der Reihe war, hatte sich mein Puls längst der Menge angepasst. Gesund dürfte dies nicht gewesen sein, da bin ich mir sicher.
Wenngleich es als Journalist wichtig ist, stets neutral zu bleiben, und auch zu berichten, schwingt in solchen Momenten einfach auch ein gewisser Patriotismus mit. Daher war die Freude über den nächsten Dreifachsieg freilich riesig.
So schnell dieser zweite Durchgang zu Ende war, so endlos lang fühlte sich das Warten auf die Protagonisten an. Da meldete sich plötzlich auch das Hungergefühl, speziell als Stefan Kraft später davon sprach, sich als Belohnung für den Sieg eine Lasagne zu gönnen.
Einen kleinen "Fanboy"-Moment gab es dann auch noch, als es gemeinsam im Lift wieder nach oben ging. Für mich ins Pressezentrum, für Kraft zu Lasagne und Eierlikör.
Bischofshofen: Ein perfektes Setting
Die Ausgangslage für Bischofshofen war natürlich sensationell. Österreich auf 1-2-3, nur 1,3 Punkte zwischen den herausragenden Gestalten dieser Tournee. Spannender konnte es gar nicht mehr werden.
Der erste Eindruck von der Naturschanze im Pongau war nicht minder imposant, besonders groß war die Freude jedoch darüber, dass das Pressezentrum direkt im Österreich-Haus neben dem Auslauf angesiedelt war.
Dadurch konnte man jederzeit einen Blick hinaus zum Live-Geschehen wagen und musste anders als in Innsbruck nicht erst gefühlt 1.000 Stiegen überwinden, die noch dazu steil bergab gingen. Etwas waghalsig mussten also auch wir sein.
Nach den ersten Sprüngen waren wir uns in der österreichischen Journaille eigentlich einig: An Stefan Kraft würde kein Weg vorbeiführen. Lange sollten wir damit auch Recht behalten.
Drama bis zum letzten Sprung
Aber dann war da dieser zweite Durchgang am Final-Tag. Natürlich sah das Drehbuch nochmal zusätzliche Dramatik vor, wie sollte es auch anders sein.
Erst klatschte Tschofenig einen überragenden Sprung in den Salzburger Schnee, Hörl legte sogar nach - verhunzte jedoch den Telemark und vergab den Tournee-Sieg. Dann war Kraft an der Reihe - oder auch nicht.
Der Wind war zu gut, ein Meter Aufwind pro Sekunde blies über den Hang. Ganz ehrlich: Ich habe ihn nicht gespürt, da merkt man auch einmal, welche Feinheiten in diesem Sport wöchentlich im Spiel sind.
Eine halbe Ewigkeit musste Kraft warten, bis er runter durfte. Doch irgendwie war die Anspannung draußen. Ich hatte befürchtet, dass er die Grüne Linie nicht erreichen würde. Die Wartezeit war einfach zu lange, um die nötige Explosivität in seinem Sprung zu haben.
Der Salzburger landete schließlich nur bei 137,5 Metern, ungefähr drei Meter mehr hätte er gebraucht, um Tschofenig abzufangen, der sein Glück kaum fassen konnte, beide Hände über sein Gesicht schlug und fast schon schockiert war, es doch geschafft zu haben.
Ein unvergessliches Erlebnis
Es war ein leicht unrühmliches Ende dieser fantastischen Vierschanzentournee, die von Windkapriolen weitestgehend verschont geblieben war. Hätte die Jury die Situation besser managen können? Vielleicht.
Cheftrainer Andreas Widhölzl hatte allerdings recht, als er meinte, dass sein Schützling bei einer Verkürzung des Anlaufs aufgrund der zusätzlichen Gatepunkte, die er erhalten würde, einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz gehabt hätte.
Im Gegenzug war auch Krafts Frust verständlich. Der zweite Goldene Adler war zum Greifen nahe. Aber es sollte nicht sein, das hatte der 31-jährige Salzburger selbst schnell anerkannt.
Daher konnte er sich mit seinem Teamkollegen freuen. "Wir werden einen lustigen Abend haben - aber der Tschofi zahlt die Zigarre", zeigte der 45-fache Weltcup-Sieger keinerlei Groll gegenüber dem neun Jahre jüngeren Kärntner.
Für mich war dieses unvergessliche Erlebnis damit ebenfalls beendet. Was bleibt, sind viele Emotionen, Erinnerungen für die Ewigkeit und eine noch größere Faszination für diesen Sport und ihre Athleten.
Und natürlich die Vorfreude auf die nächste Vierschanzentournee - sie kann nicht schnell genug kommen.