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Shiffrins Anfänge: "Das hat mich an ihr fasziniert"

Bei Mikaela Shiffrin war schon früh klar, dass sie eine der ganz Großen wird. Ex-ÖSV-Star Nicole Hosp hat eine ganz besondere Erinnerung an die "junge" Mikaela.

Shiffrins Anfänge: Foto: © GEPA

"Es ist schwer vergleichbar mit dem, was Ingemar, Annemarie oder Lindsey gemacht haben. Sie alle waren meine Inspiration und ich habe nie geglaubt, jemals in solche Sphären zu kommen."

Schon 2019 hörte Mikaela Shiffrin Vergleiche mit den Leistungen der Ski-Heldinnen und Helden früherer Tage nur ungern. Mittlerweile hat sie fast alle von ihnen – zumindest was die Statistiken betrifft – übertroffen.

Mit ihrem am Kronplatz eingefahrenen 83. Weltcupsieg ist die US-Amerikanerin nun alleinige Rekordhalterin bei den Frauen (Ewige Bestenliste>>>). Die ewige Bestmarke von 86 Siegen von Ingemar Stenmark ist nur mehr einen Schwung entfernt.

Dass Shiffrin einmal in solche Sphären vorstoßen könnte, war zwar nicht für sie selbst, dafür aber für den einen oder anderen Außenstehenden schon früh klar.

"Es war früh absehbar, dass sie eine der ganz Großen wird"

Als die damals 16-jährige Shiffrin 2011 ihr Debüt im Weltcup gab, war Nicole Hosp eine der routinierteren Läuferinnen im Weltcup und kämpfte sich nach einem Kreuzbandriss zurück. Shiffrins Leistungen – sie fuhr in ihrem vierten Weltcup-Rennen gleich in die Top-10 – blieben nicht lange unbemerkt.  

"Wenn eine so junge Läuferin kommt und gleich so gut fährt, fällt das auf", erinnert sich Ski1-Expertin Hosp zurück. "Skifahrerisch war sie damals schon gut und es war absehbar, dass sie einmal eine der ganz Großen wird, wenn keine schwere Verletzung dazwischen kommt."

"Ich bin im Ziel gesessen und habe geweint. Da ist Mikaela zu mir gekommen und hat mich getröstet. Sie hat mich sehr aufgebaut. Das hat mich damals fasziniert, dass sie in ihrem jungen Alter schon so reif und abgeklärt war."

Hosp erinnert sich an eine besondere Situation mit Shiffrin

Während Shiffrins Stern erst begann aufzugehen, steckte Hosp zu dieser Zeit in einem Tief. Nach einigen Verletzungen war die Tirolerin vor allem im Riesentorlauf in einer Krise. Die junge Mikaela Shiffrin fungierte damals als Seelentrösterin, wie Hosp erzählt.

"Es war bei einem RTL in Lienz, ich steckte damals in einer Krise und habe danach auch entschieden, mit dem RTL aufzuhören. Ich bin im Ziel gesessen und habe geweint. Da ist Mikaela - die noch frisch im Weltcup war - zu mir gekommen und hat mich getröstet. Sie hat gesagt: Du bist immer so ein Vorbild für mich gewesen und sei nicht so traurig. Sie hat mich sehr aufgebaut", verrät Hosp. "Das hat mich damals fasziniert, dass sie in ihrem jungen Alter schon so reif und abgeklärt war."

Die "menschliche" Mikaela: "Sie kann damit gut umgehen"

Schon damals zeigte sich, in Shiffrin steckt nicht nur ein außergewöhnliches Ski-Talent sondern auch ein ganz besondere Persönlichkeit. Die US-Amerikanerin scheute sich von Beginn ihrer Karriere an nicht, echte Emotionen zu zeigen und nutzt ihre Bühne bis heute regelmäßig für gesellschaftliche Themen und Botschaften außerhalb des Ski-Sports.  

Nicht zuletzt ihr offener Umgang mit ihrem Privatleben, in dem es in den vergangenen Jahren mit dem plötzlichen Tod ihres Vaters Jeff und ihrer Beziehung zu Ski-Kollege Aleksander Aamodt Kilde einige Höhen und Tiefen gab, macht Shiffrin zu einem Star mit einer extra Portion Menschlichkeit.

"Die Leute sehen es gerne, wenn die Sportler etwas von ihrem Privatleben und ihrer Gefühlswelt preisgeben. Das ist aber immer auch ein Zwiespalt. Das muss man als Athletin erst einmal verkraften können, dass so viele Leute so viel über dich wissen und dass man damit auch offen konfrontiert wird. Mikaela kann damit gut umgehen", findet Hosp.

Was Shiffrin so stark macht

Wie gut Shiffrin damit umgehen kann, beweisen nicht zuletzt ihre stetigen Erfolge. Seit ihrem ersten Weltcup-Sieg im Dezember 2012 im schwedischen Aare zeigt die Formkurve fast ausschließlich nach oben.

Zwei Olympiasiege, sechs WM-Titel, vier Gesamtweltcup-Triumphe und nun 83 Siege sind nur ein kleines, aber ein eindrucksvolles Abbild ihrer Leistungen. Selbst nach schwierigen Phasen und Niederlagen wie jener bei den Olympischen Spielen 2022, wo sie ohne eine einzige Medaille blieb, steht Shiffrin immer wieder auf und kommt fast noch stärker zurück.

"Ihre gute Technik hat sie von Anfang an ausgezeichnet und sie hat sich über die Jahre noch weiterentwickelt", weiß Hosp um Shiffrins große Stärke. "Sie hat einfach eine blitzsaubere Grundtechnik. Dadurch kommt sie nur sehr selten in Bedrängnis, macht ganz wenige Fehler und hat einfach so eine ruhige, stabile Position über dem Ski. Sie hat eine Technik so gut wie keine andere. Das ist der Grund, warum sie in allen Disziplinen so gut sein kann."

"Da werden noch viele Rekorde purzeln"

Hosp, Gewinnerin von zwölf Weltcup-Rennen, sieht Shiffrin in ihrer aktuellen Form sogar "fast unschlagbar": "Sie wirkt momentan so sicher. Was sie noch stoppen kann, ist eine Verletzung, die passiert sehr schnell. Aber wenn sie gesund bleibt, werden noch viele Rekorde purzeln."

Shiffrin hat im Ski-Sport so gut wie alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt, und kann befreit drauflosfahren. Um Rekorde geht es der 27-Jährigen nicht, wie sie schon 2019 anmerkte:

"Ich hasse die Vorstellung, dass sich jemand denkt, man wird sie jetzt vergessen. Niemand wird Ingemar oder die anderen jemals vergessen. Für mich werden ihre Rekorde immer bestehen. Ich sorge lediglich für neue Zahlen."

Und dafür, dass auch den Namen Mikaela Shiffrin wohl für eine lange Zeit niemand vergisst.

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