Es war einer der emotionalsten und aufwühlendsten Siege, den Mikaela Shiffrin je feiern durfte.
Kurz nach der Trennung von ihrem langjährigen Vertrauenstrainer Mike Day gewann die 27-Jährige am Donnerstag Riesentorlauf-Gold bei der WM in Frankreich. Ergebnis des WM-RTL >>>
Shiffrin hat nun als erste Frau überhaupt bei sechs aufeinanderfolgenden Titelkämpfen zumindest eine Goldene gewonnen - und das in vier Disziplinen.
"Das ist unglaublich. Ich war so nervös", sagte Shiffrin in einer ersten Reaktion. Im Riesentorlauf ist es ihr erster Titel, insgesamt ihre bereits 13. WM-Medaille. "Es ist sehr selten, überhaupt eine Goldmedaille zu gewinnen. Dieses Jahr fahre ich den besten Riesentorlauf in meiner Karriere", erklärte sie etwas später.
Sie habe einfach den Fokus auf das gute Skifahren aufrechterhalten wollen, "und das war heute wirklich schwierig. Es sind Weltmeisterschaften." Sie sei voll am Limit gewesen.
Shiffrin dachte ans Vorjahr: "Dann habe ich alles verloren"
Shiffrin musste auch den Spielfilm vom Weltcup-Finale 2021/22, als sie in Meribel gegen Tessa Worley noch ihre RTL-Kugel verspielt hatte, ausblenden. Vor elf Monaten war sie ebenfalls als Halbzeit-Führende auf den Kurs gegangen, fiel dann zurück und wurde schließlich nur Siebente. Dadurch gewann die Französin Worley mit einem vierten Platz die kleine Kristallkugel. Diesmal wollte Shiffrin einen Rückfall unter allen Umständen verhindern.
"Ich habe an das Vorjahr gedacht. Da war ich auch Führende und im zweiten Lauf war es auch sonnig und warm, dann habe ich alles verloren", sagte die US-Amerikanerin.
Die Situation war ähnlich, allerdings mit dem Unterschied, dass Worley als Zweite des ersten Durchgangs unmittelbar vor ihrem Lauf stürzte. "Es ist nicht leicht, wenn das mit dem Liebling des Heimpublikums passiert. Danke an alle, die mich trotzdem angefeuert haben."
Shiffrin behielt trotz eines Patzers unweit vor dem Ziel aber die Nerven und wurde mit ihrem ersten WM-Titel im Riesentorlauf belohnt. "Ich habe mir nur gesagt: Auf keinen Fall scheidest du jetzt aus!", verriet die Siebenfach-Weltmeisterin.
"Das war vom Kopf her alles andere als leicht. Hier hat sie im vorigen Jahr beim Weltcupfinale die kleine Kugel verloren, der Ausfall in der Kombination fährt sicher auch mit", erinnerte Atomic-Rennchef Christian Höflehner. "Aber sie hat dem Druck standgehalten - und alles ist gut."
Shiffrin über den Abgang ihres Trainers: "Das war so nie geplant"
In ihr arbeitete jedenfalls aber noch das Zerwürfnis mit ihrem Langzeit-Trainer Day, der im Jahr 2016 von US-Alpindirektor Patrick Riml als Headcoach des Team Shiffrin installiert worden war. Offiziell bekannt ist bisweilen nur, dass Shiffrin entschieden habe, sich am Ende der Saison von Day zu trennen und ihr Team neu aufzustellen. Daraufhin habe Day von sich aus mit sofortiger Wirkung hingeschmissen.
"Mikaela möchte etwas anderes machen in der Zukunft. Sie möchte eine neue Herausforderung. Und sie hat Mike informiert, und Mike ist dann abgereist", erklärte Riml, nach einem Intermezzo beim ÖSV inzwischen wieder US-Alpinchef, in Meribel. "Für mich war es ein Schock, dass er gegangen ist."
Shiffrin selbst wollte "Mike einfach nur Danke sagen für sieben Jahre", wie sie betonte. "Es ist nur ein bisschen traurig, wie es abgelaufen ist. Ich denke, alle wundern sich über das Timing. Es war nie geplant, das während der WM offiziell zu vermelden, aber so wie sich die Dinge zusammengebraut haben, ist es passiert. Meine Hoffnung war, ihm genug Zeit bis zum Ende der Saison zu geben, damit er seinen eigenen Plan machen und sich für seine nächsten Schritte vorbereiten kann. Aber so wie es abgelaufen ist, ist er vor zwei Tagen nach Hause gereist."
Um das Training von Shiffrin würden sich nun der Steirer Mark Mitter, US-Frauen-Cheftrainer Paul Kristofic und andere, darunter Shiffrins Mutter Eileen, kümmern, bis jemand die von Day hinterlassene Lücke füllt. Ein offenes Geheimnis ist, dass Eileen Shiffrin bei der Trainingsgestaltung stets ein gewichtiges Wort mitzureden hat und ihre Tochter ihr quasi blind vertraut.
"Der Plan von der Mikaela war, dass Mike bis Ende der Saison bleibt. Sie wollte ihm die Chance geben, sich rechtzeitig umzusehen. Das war für sie sicher ein schwieriger Zeitpunkt während der WM, aber ihm gegenüber sehr fair", berichtete der Steirer Höflehner.
Auch ohne Day sei Shiffrin "gut aufgehoben. Der Mark (Mitter; Anm.) macht einen super Job, hat schon davor die technische Seite abgedeckt, und im Verband haben sie noch andere super Trainer."