"Was für eine Woche!"
Aleksander Aamodt Kilde erlebt in Kitzbühel ein Wellenbad der Gefühle - an dessen Ende sein Sieg bei der klassischen Hahnenkamm-Abfahrt am Samstag steht (Ergebnis der 2. Kitzbühel-Abfahrt).
Allzu weit ist Kilde auf der Streif von einem möglichen vorzeitigen Saisonende allerdings nicht entfernt gewesen. Am Ende reist er als Hahnenkamm-Sieger aus Kitzbühel ab, mit einer Fraktur in der einen und der Goldenen Gams in der anderen Hand.
"Das ist einer meiner größte Siege, wenn nicht der größte", sagt der 30-Jährige nach dem 20. Weltcup-Sieg seiner Karriere.
Kilde gibt zu: "Freitag war ein harter Tag"
Kildes emotionale Worte nach seinem Triumph hängen weniger mit dem Stellenwert eines Kitzbühel-Sieges in der Ski-Welt, als mit den Erlebnissen im Laufe der Woche zusammen.
Bis zum zweiten Training verlief für den Norweger alles nach Plan, ehe er sich beim Griff in den Schnee ein Knochen in der rechten Hand brach. Mit Bandage und Schmerzmitteln wurde er rennfit und vermied dann in der ersten Abfahrt am Freitag bei der Ausfahrt aus der Traverse nur mit Bravour einen bösen Abflug ins Netz.
Später im Rennen stürzte Teamkollege Henrik Roea beim Zielsprung schwer, er musste minutenlang an der Strecke behandelt werden und zog sich einen Wadenbein-Bruch zu.
"Gestern war ehrlich gesagt ein echt harter Tag", gibt Kilde zu. "Wenn man nur vier Athleten hat und einen davon verliert, hat das eine große Auswirkung auf das Team", spricht er den Schock nach Roeas Sturz an.
Kilde: "Ich habe noch immer Gänsehaut"
Er sei am Freitag ins Bett gegangen und habe dabei überlegt, wie er am Samstag gewinnen könnte. Auch die Schrecksekunde in der Traverse hing ihm dabei noch in den Knochen.
"Die Situation war wirklich beängstigend", gibt das Speed-Ass zu. Das hat sich auch bei seiner Siegfahrt am Samstag bemerkbar gemacht. "Über den Hausberg war ich ein bisschen angespannt, das hat man gesehen. Ich habe ein bisschen Speed rausgenommen und bin mit mehr Vertrauen durch die Traverse. Das Gefühl, den letzten Teil bewältigt zu haben, war wunderbar."
Im Ziel Grün zu sehen sei "unglaublich" gewesen. "Ich habe noch immer Gänsehaut. Ich bin wirklich stolz auf mich. Das waren ein paar harte Tage", sagt Kilde.
Den besten Abfahrer der Gegenwart plagten Selbstzweifel. "Dass ich imstande war, wieder aufs Pferd zu steigen und abliefern zu können. Das habe ich auch nicht ganz so geglaubt. Denn gestern hat mir nicht die Zuversicht gegeben, dass ich heute gewinnen kann."
In der Früh nach dem Aufstehen habe er sich aber gedacht: "Weißt du was, ich mache das einmal in meinem Leben. Ich muss das tun."
Kilde gelang trotz der schwierigen Umstände mit einer famosen Fahrt sein siebenter Sieg in diesem Winter, fünf davon waren Abfahrten. Für den Lebensgefährten von Mikaela Shiffrin ist es sein zweiter Streif-Coup nach jenem im Vorjahr.
Kilde verhindert Weltrekord von Clarey
Wie schon in Gröden vereitelte der Abfahrts-Dominator den ersten Sieg von Johan Clarey, der dem Franzosen einen Weltrekord beschert hätte. 0,67 Sekunden lag Kilde vor Clarey, der seinem ersten Weltcup-Sieg damit weiter hinterherläuft. Mit dem Alter von 42 Jahren und 14 Tagen wäre er der älteste Sieger in der Geschichte gewesen.
Drei Chancen hat Clarey noch, ehe er nach dieser Saison vom aktiven Skisport zurücktreten wird. "Die Ziellinie bei Grün zu überqueren, war das beste Gefühl meiner Karriere. Ich bin nur dankbar, hier bei meinem letzten Auftritt in Kitzbühel auf dem Podium zu sein", sagt er.