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ÖSV-Star Feller: "Da wusste ich gar nicht mehr weiter"

Reflektiert, ehrlich und gewohnt direkt: Manuel Feller im Interview über seine emotionalste Niederlage, kleine Abstürze – und das, was am Ende wirklich zählt.

ÖSV-Star Feller: "Da wusste ich gar nicht mehr weiter" Foto: © GEPA

Manuel Feller ist vieles – Ausnahme-Athlet, Familienmensch, Freigeist.

Er ist jemand, der lieber aneckt als sich verstellt. Einer, der seine Emotionen nicht filtert, weder im Zielraum noch im echten Leben.

Als LAOLA1 ihn zum entspannten Interview trifft, ist er gerade auf dem Sprung zu einem Musik-Festival. Keine Startnummer, kein Stangenwald, dafür ein Gespräch über seine emotionalste Niederlage, kleine Abstürze und den Umgang mit Schmerz. 

Feller erklärt, warum er glaubt, auf der Piste vielleicht zu wenig Arschloch zu sein und worauf es ihm im Leben wirklich ankommt.

LAOLA1: Gratulation zur Hochzeit. War's eine würdige Party?

Manuel Feller: Definitiv! Es war genau so, wie wir uns das vorgestellt haben. Wir haben versucht, so viele Leute wie möglich, die uns wichtig sind, dabei zu haben. Das war der Fall und jeder hatte eine Gaude. Es ist alles sehr relaxed abgelaufen. Wir haben dann natürlich auch ein bisschen auf den Putz gehauen und bis in den frühen Morgen gefeiert. Es war ein sehr, sehr schöner Tag, aber auch anstrengend. Ich war danach noch auf drei Hochzeiten – eingeladen zu sein ist auf jeden Fall relaxter als selbst zu heiraten. (lacht)

LAOLA1: Gibt es eine Eigenschaft an dir, die du im Alltag total feierst, die dich beim Skifahren aber manchmal eher stört?

Feller: Vielleicht bin ich beim Skifahren teilweise zu wenig Arschloch - aber ich weiß nicht, ob das stört. Man sollte schon die nötige Aggression aufbringen, aber ich glaube, das mache ich über den Ehrgeiz. Wenn ich am Start stehe, will ich das geben, was ich kann. Es geht nicht darum, dass ich den oder den schlage. Und ich bin einer, der seine Emotionen gleich mal laufen lässt. Da passieren gewisse Sachen halt intuitiv. Aber es ist ja auch im Alltag nicht unbedingt gut, seine Emotionen zu kontrollieren.

Ich glaube, bei meinem ersten Schladming-Rennen bin ich in der Tenne von der Treppe runtergekugelt und dann haben sie mich ins Spital eingeliefert – aber nicht aufgrund von übermäßigem Alkoholkonsum, das ist einfach blöd hergegangen.

LAOLA1: Du bist bekannt für deine emotionale, offene Art. Hattest du jemals das Gefühl, dich für den Spitzensport verbiegen zu müssen?

Feller: Nein. Ich habe natürlich dazugelernt. Man ist mit 30 nicht mehr so, wie man mit 20 war, sonst hätte man in den letzten zehn Jahren auch was falsch gemacht. Aber verbiegen musste ich mich nicht. Ich würde heutzutage gewisse Sachen anders angehen, wenn sie jetzt passieren würden. Ich würde aber nicht - wenn ich zurückschaue - gewisse Sachen anders machen in der Phase, wo ich damals in meinem Leben war. Das hat alles so sein müssen. Ich habe auch meine Lehren daraus gezogen. Ich habe sicher nicht alles richtig gemacht, aber auch nicht alles falsch. Sonst wäre ich ja auch nicht da, wo ich bin. Ich habe schon immer versucht, mir treu zu bleiben und das so zu machen, wie ich meine, dass das richtig ist.

LAOLA1: Was ist das Unvernünftigste, das du je nach einem Weltcup-Rennen gemacht hast?

Feller: Ab und zu habe ich schon einfach die Festplatten gelöscht, aber ich weiß nicht, ob man das jetzt unbedingt als unvernünftig bezeichnen kann. Natürlich kann man Sachen auch anders verarbeiten. Aber es gehört für mich dazu, ab und zu auf den Putz zu hauen und alle Emotionen, die über Wochen oder Monate eingeprasselt sind, in einer Nacht rauszupfeffern. Ich habe schon ab und zu übertrieben. Ich glaube, bei meinem ersten Schladming-Rennen bin ich in der Tenne von der Treppe runtergekugelt und dann haben sie mich ins Spital eingeliefert – aber nicht aufgrund von übermäßigem Alkoholkonsum, das ist einfach blöd hergegangen. Ich weiß nicht, ob das unvernünftig ist. Ich habe auf jeden Fall noch nie ein Hotelzimmer zerstört oder so etwas in die Richtung gemacht. Also ich könnte nicht sagen, dass ich mal richtig unvernünftig war.

LAOLA1: Hat es nach der WM in Saalbach auch eine Festplatten-Formatierung gebraucht?

Feller: Ja, definitiv.

LAOLA1: Wie lange hat es gedauert, bis du die "größte Niederlage deiner Karriere" – wie du es selbst bezeichnet hast - verarbeitet hast?

Feller: Ich würde echt sagen, binnen 24 Stunden. Wir hatten schon von Haus aus eine Location organisiert, wo wir gesagt haben, wir setzen uns nach dem Rennen mit dem ganzen Fanclub zusammen, egal, ob es gut oder schlecht gegangen ist. Natürlich war am Anfang die Stimmung nicht so super und mit dem Frust habe ich dann auch das eine oder andere Glas mehr getrunken. Aber im Großen und Ganzen habe ich Zeit mit den Leuten verbracht, die mich immer unterstützt haben, die mich an dem Tag unterstützt haben und die mich immer noch unterstützen. Von dem her habe ich das dann am nächsten Tag vielleicht nochmal ein bisschen nacharbeiten lassen, aber eigentlich habe ich es innerhalb von 48 Stunden definitiv verarbeitet.

Ich habe sehr viele gute und schöne Sachen in meinem Leben erlebt. Ich habe aber auch sehr viele Phasen gehabt, in denen ich gar nicht mehr weiter gewusst habe und wo alles zusammen nicht so lustig war.

LAOLA1: Wenn du heute auf den jungen Manuel zurückblickst – was würdest du ihm mit auf den Weg geben?

Feller: Ich habe ja gesagt, ich bin mir treu geblieben und habe versucht, das zu machen, was ich für richtig gehalten habe. Aber ich habe schon gewisse Sachen gemacht, wo ich für mich gewusst habe: Das ist jetzt nicht das, was mich weiterbringt. Wo ich gedacht habe: Eigentlich wäre jetzt eine Pause gut oder eigentlich wäre statt Skifahren Kondi-Training gut. Aber mein Umfeld hat geglaubt, das ist das Richtige und die setzen sich ja alle dafür ein. In dem Moment habe ich es dann für die gemacht. Wir haben schon eine gute Kommunikation mit den Trainern und dem Umfeld, aber ich würde dem Manuel sagen: Kommuniziere klar deinen Standpunkt und steh' dazu. Wenn es nicht das Richtige ist, dann hast du den Fehler gemacht. Aber schlimmer ist es, wenn du im Nachhinein denkst: Hätte ich das nur so gemacht, wie ich es eh schon gefühlt habe oder wie ich es mir gedacht habe und nicht so, wie die anderen denken.

LAOLA1: Wenn wir schon bei "mit auf den Weg geben" sind: Welche Werte sind dir im Leben besonders wichtig, die du deinen Kindern mitgeben möchtest?

Feller: Das Wichtigste ist Respekt. Jedem gegenüber. So wie man in den Wald reinschreit, so kommt es raus. Ich weiß, da werden jetzt manche lachen, weil ich immer wieder mal Leute, wie soll ich sagen, nicht respektvoll behandelt habe. Aber das hat oft auf Gegenseitigkeit beruht. Ich hatte in meiner Karriere Phasen, in denen ich extrem viel Schmerzen hatte und Skifahren eigentlich ein Muss und keine Freude war. Da bin ich vor allem mit Leuten aus meinem engsten Umfeld nicht so umgegangen, wie man das eigentlich tun sollte. Aber im Großen und Ganzen bin ich schon einer, der versucht, mit jedem - egal wo er herkommt und wer das ist - so umzugehen, wie ich auch möchte, dass jemand mit mir umgeht. Also Respekt und Demut - für das, was wir alles haben, wo wir leben, dass wir aus dem Wasserhahn trinken können, dass wir das essen können, was wir wollen, dass wir ein Dach über dem Kopf haben. Das sind Sachen, die sind für uns selbstverständlich, aber wenn man das alles hat, ist man, glaube ich, reicher als 70 Prozent der Weltbevölkerung. Das ist ja ein Wahnsinn. Also Respekt, Demut und Dankbarkeit. Das versuche ich meinen Kindern auch so mitzugeben.

LAOLA1: Wann dein Leben ein Song wäre: Welcher wäre es?

Feller (überlegt): Buju Banton, Hills and Valleys.

Buju Banton ist ein jamaikanischer Reggae-Künstler. Hills and Valleys ist ein Song, in dem es darum geht, dass ihn Gott durch Hügel und Täler führt. Ich bin jetzt nicht religiös, aber ich glaube an irgendwas Höheres, und ich kann mich auch nicht mit einem Jamaikaner vergleichen, der nur jeden dritten Tag was zu essen hat – der verbindet etwas ganz anderes damit, wenn er an schwere Zeiten denkt. Aber das Interessante an Musik ist ja, dass man Inhalte von Liedern auf seine Situation projizieren kann. Ich habe sehr viele gute und schöne Sachen in meinem Leben erlebt, ich war sozusagen auf dem Gipfel. Ich habe aber auch sehr viele Phasen gehabt, in denen ich gar nicht mehr weiter gewusst habe und wo alles zusammen nicht so lustig war. Aber wenn man an sich glaubt und weitermacht und das nötige Engagement aufbringt, wird man auch die tiefsten Täler überwinden.

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