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Simon Eder: "Dann ist mir um's Männer-Team nicht Angst und Bange"

Es ist die 20. Weltcup-Saison des "Grand Senior" des österreichischen Biathlon. Auch mit bald 43 Jahren ist Eder kein bisschen leise. Vor seinem vielleicht letzten Heimweltcup hat er mit LAOLA1 gesprochen.

Simon Eder: "Dann ist mir um's Männer-Team nicht Angst und Bange" Foto: © GEPA

Als Simon Eder im Jänner 2003 in Ruhpolding sein Weltcup-Debüt feierte, war der Autor dieser Zeilen ein pubertierender Hauptschüler. Heute ist besagter Autor Vater eines zehnjährigen Sohnes. Und Simon Eder ist noch immer da.

So lässt sich ganz gut beschreiben, was der bald 43-Jährige für den heimischen Biathlonsport geleistet hat. Vor dem Heimweltcup in Hochfilzen hat sich der Salzburger Zeit für ein Interview mit LAOLA1 genommen.

"Dabei habe ich das Rennen aufgeben müssen", erzählt Eder im Vorgespräch über seinen ersten Einsatz im Weltcup. "Die ersten beiden Jahre rechne ich gar nicht dazu, erst 2006 ist es so richtig losgegangen", sagt er.

Die Zeit dazwischen war hart. Eder geriet in ein Übertraining, nichts ging mehr. "Ich stand kurz vor dem Karriereende", erinnert sich der Routinier. Aus diesem Loch wieder herausgekommen zu sein, sei vielleicht der größte Erfolg seiner Karriere - die eigentlich nach dieser Saison enden sollte.

Nach dem Olympia-Winter sei definitiv Schluss, erklärte Eder im Frühjahr. Mittlerweile hat sich seine Einstellung dazu ein wenig geändert. Der rot-weiß-rote Grand Senior des Biathlon liebäugelt damit, noch ein weiteres Jahr dranzuhängen, wie er im Interview verrät.

Außerdem erzählt er, was ihm sein "Wohnzimmer" Hochfilzen persönlich bedeutet, was sich über den Sommer bei der Problemstelle Material getan hat und was er nach seiner aktiven Karriere vorhat.

LAOLA1: Wie geht es einem 42-jährigen Veteranen am Beginn seiner 20. Weltcup-Saison?

Simon Eder: Mir geht es zum Glück sehr gut. Natürlich hat man die eine oder andere Kleinigkeit, die das Alter mit sich bringt. Ich konnte sehr gut trainieren, leider bin ich beim Loop One Festival (Ende Oktober in München, Anm.) kurz vor der Saison noch krank gewesen. Auch vor Weihnachten passiert mir das gerne. Ich hoffe, dass ich dem für den Rest der Saison ausweichen kann. 

LAOLA1: Wie blickst du auf den Saisonstart in Östersund zurück? Es ist dort ja ganz gut für dich gelaufen. 

Eder: Mein bestes Rennen war sicher die Single-Mixed, wo ich mit Lisa Hauser Rang fünf erreicht habe. Ich bin fehlerfrei geblieben und war viertbester bei den Männern. In den weiteren Rennen war es solide oder sogar ein wenig mehr - speziell in der Verfolgung (Rang 18, Anm.). Ich bin gut reingekommen und hoffe, dass läuferisch noch die eine oder andere Reserve drinnen ist. 

LAOLA1: Du hast angekündigt, dass diese Saison deine letzte sein wird. Ist das fix? 

Eder: Es ist nicht ganz fix. Es kann sein. Ich verschiebe das auf April, wie jedes Jahr. Wenn es soweit ist, entscheide ich, ob ich einen Schlussstrich ziehe.

"Das ist natürlich hart für mich, weil es mein Traumberuf ist. Ich hatte jetzt einige Jahre Zeit, um zu begreifen, dass das irgendwann Realität sein wird."

Simon Eder über sein nahendes Karriereende

LAOLA1: So oder so: In absehbarer Zeit wird es deinen allerletzten Zieleinlauf geben. Was geht dir durch den Kopf, wenn du dir dieses Bild vor Augen führst?

Eder: Das ist natürlich hart für mich, weil es mein Traumberuf ist. Ich hatte jetzt einige Jahre Zeit, um zu begreifen, dass das irgendwann Realität sein wird. Danach wartet ein anderer schöner Lebensabschnitt auf mich. In dem man nicht mehr jeden Tag müde vom Training ist und mehr Zeit hat. Wenn man fünf, sechs Stunden auf dem Fahrrad sitzt oder drei Stunden auf den Skirollern steht, kommt man nicht nach Hause und ist dann für alles zu haben. Du musst ja dann auf die Regeneration schauen. Ich freue mich auch auf die Zeit danach. 

LAOLA1: Wenn du auf deine bisherige Karriere zurückblickst: Was war aus emotionaler Sicht dein größter Erfolg?

Eder: Das ist größer, ich kann das nicht nur an einem Rennen festmachen. Ich hatte einen guten Start bei den Junioren und bin danach körperlich in eine Abwärtsspirale gekommen. Das war die härteste Zeit meiner Karriere. Ich bin in ein Übertraining geklommen und ab 2003 ist es schleichend bergab gegangen. Ich hatte Herzrhythmusstörungen und einen Ruhepuls von 80. Damals stand ich kurz vor dem Karriereende. Drei in Jahre in Folge war das so. Dann ist es langsam wieder bergauf gegangen, ich hatte meine erste Saison im Weltcup und meinen ersten WM-Einsatz. Dass ich nach all dem wieder zurückgekommen bin, war vielleicht mein größter Erfolg. 

LAOLA1: Es könnte heuer dein letztes Mal als Aktiver in Hochfilzen sein. Was bedeutet dir dein "Wohnzimmer" persönlich? 

Eder: Ich kenne sehr viele der Leute, die daran beteiligt sind, dass wir hier unsere Rennen bestreiten können. Es ist einfach lässig, wenn du deine Runden drehst und alle 100 Meter schreit dir jemand zu. Gleichzeitig gilt es aber auch, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Du darfst dir zuhause nicht zu viel Druck auferlegen. In den Tagen vor den Rennen kannst du das noch ein wenig genießen. Aber danach musst du dich voll aufs Rennen fokussieren und schauen, dass die Automatismen kommen. Es ist jedes Mal aufs Neue eine Mischung aus Anspannung und Vorfreude. 

LAOLA1: Mit welcher Zielsetzung gehst du in die Rennen in Hochfilzen?

Eder: In den letzten beiden Saisonen habe ich versucht, alles mehr passieren zu lassen. Also am jeweiligen Tag mein bestes Rennen zu laufen. Natürlich wäre ich gerne in den Top 10. Aber wenn es dann ein 21. Platz mit zwei Nullern ist, kann ich sehr zufrieden sein, weil ich das Beste aus mir herausgeholt habe. 

LAOLA1: Worüber wir letztes Jahr in Hochfilzen und im weiteren Saisonverlauf laufend gesprochen haben, war das Material. Auch du hast das Thema sehr offen angesprochen. Habt ihr das über den Sommer besser in den Griff bekommen? 

Eder: Ich denke schon, aber die Saison ist noch recht jung. Es war ein solider Start - oder sogar mehr. Lisa (Hauser, Anm.) hat ja schon einen Sieg in der Tasche. Aus meiner persönlichen Sicht wäre die Saison damit schon gerettet, alle Strapazen haben sich gelohnt (lacht). Es war ein cooler Start, aber wir haben zehn Stationen, an denen man sich messen lassen muss. Letztes Jahr waren wir mit den Ergebnissen in Hochfilzen alle nicht happy. Das wollen wir heuer besser machen. 

LAOLA1: Ein Grund für die Schwierigkeiten am Materialsektor ist sicher das Fluorverbot. Das hat vieles verändert und größere Nationen wie Norwegen oder Frankreich haben auch mehr Möglichkeiten. Aber kann man es wirklich nur daran festmachen? 

Eder: Es ist nie nur ein Grund, sondern immer mehrere. Man muss alle Zahnräder zusammenfügen und wenn sie sich drehen, kann man wieder mithalten. Es schaut jetzt wieder besser aus, aber das erste Resümee können wir erst vor Weihnachten ziehen. Dann sehen wir, was man mit Blickrichtung Oberhof (8. bis 11. Jänner; Anm.) besser machen kann.  

LAOLA1: Du und David Komatz seid die großen Routiniers im Team, mit Felix Leitner fiel kurz vor der Saison überraschend einer weg. Hast du mit seinem Karriereende gerechnet?

Eder: Es war schon eine Überraschung. Natürlich ist es zäh, wenn man eine Bandscheiben-Operation hatte. Es ist extrem schade um ihn. Wir haben ein großes Talent verloren und wir hatten ihn auch als Typ gerne dabei. Für die Staffel ist er sowieso ein riesiger Verlust. Es tut mir schon immer noch richtig weh, wenn ich an daran denke, dass er nicht wiederkommen wird. Aber natürlich ist es seine Entscheidung und die muss man respektieren. 

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Felix Leitner und Simon Eder einst im Staffel-Einsatz

LAOLA1: Auch du hörst nach dieser Saison womöglich auf, David Komatz wird auch nicht mehr ewig dabei sein. Muss man sich um das Männer-Team Sorgen machen? 

Eder: Jein. Es ist sehr viel Potenzial da. Wir verfügen aber nicht über eine so große Anzahl an Athleten, weder bei den Männern, noch bei den Frauen. Wenn du dir die Ergebnisse der österreichischen Meisterschaften anschaust, dann hast du diese Liste schnell auswendig gelernt. In Norwegen stehen da hunderte Namen drauf, speziell im Langlauf. Wir müssen mit den Talenten behutsam umgehen. Aber es kommt bei den Männern auf jeden Fall etwas nach. Wenn sie (die jungen Athleten, Anm.) alle weitermachen, dann ist mir nicht Angst und Bange. Das war immer schon eine Stärke bei uns, dass wir im Vergleich zu den Skandinaviern aus wenig viel machen.  

LAOLA1: Bei den Frauen läuft die Entwicklung in eine positivere Richtung. Was traust du ihnen in den nächsten Jahren noch zu? 

Eder: Eigentlich ist es eh verwunderlich, dass sie noch kein Staffel-Stockerl geschafft haben. Es wäre toll, wenn das in Hochfilzen schon passiert. Aber die anderen Nationen schlafen natürlich auch nicht. Der Sieg von Lisa hat viel Ruhe hinein gebracht. Mit ihr hast du eine echte Teamleaderin, an der sich die anderen hochziehen können. Es gibt einen engen Konkurrenzkampf und der ist meiner Meinung nach nur förderlich. Je mehr starke Athletinnen, umso besser. Ich hoffe, es geht in diese Richtung weiter. Dann können sie auch bei den Olympischen Spielen ein Stockerl-Kandidat sein. 

LAOLA1: Dieser Konkurrenzkampf hat auch euch, die "Goldene Generation", damals stark gemacht. Kann das bei den Frauen auch so eine Generation sein, die man nur alle zehn oder 15 Jahre hat?

Eder: Wir sind ja in Österreich in der glücklichen Lage, dass wir vier Schwerpunktschulen haben (Schladming, Eisenerz, Stams und Saalfelden, Anm.). Von dort kommt schon viel nach. Dieses System ist sehr gut, das ist alles kein Zufall. Ob es eine goldene Generation ist, wissen wir dann in zehn Jahren (lacht). Das Potenzial ist auf jeden Fall da. Auch bei den Männern. Dort haben wir eher das Thema, dass manche gut laufen, aber beim Schießen nicht ganz zusammenkommen und umgekehrt. Natürlich müssen sie dann den Sprung in den Weltcup schaffen, wenn wir Routiniers weg sind. Bei der Quali (in Obertilliach, Anm.) haben schon einige aufgezeigt. 

"Da sind die Verbände gefragt, Konzepte zu entwerfen, um junge Leute für den Wintersport zu gewinnen. Was das angeht, ist es fünf nach zwölf."

Simon Eder über die Zukunft des Biathlon

LAOLA1: Wie siehst du generell die Zukunft des Biathlon? Werden wir den Sport, wie wir ihn kennen, in fünf oder zehn Jahren noch so erleben? 

Eder: Das ist sehr schwer zu sagen. Man kämpft natürlich extrem mit dem Klimawandel. Wir haben mit der IBU einen starken Partner, die jetzt schon viel probiert. Per se ist die globale Erwärmung eine Tragödie. Aber um beim Sport zu bleiben: Früher oder später wird mehr auf den Skirollern passieren müssen. Es gibt auch Möglichkeiten mit Ausweichorten, aber nicht alle können aufgrund der weltpolitischen Lage genutzt werden. Ein Problem ist natürlich, dass die Kinder Biathlon nicht mehr vor der Haustüre machen können. Deswegen muss man schauen, dass es möglich und leistbar bleibt, dass die Kinder diesen Sport ausüben können. Es gibt sogenannte "Equipment Circles", durch die man Skirollern ausprobieren kann. Da sind die Verbände gefragt, Konzepte zu entwerfen, um junge Leute für den Wintersport zu gewinnen. Was das angeht, ist es fünf nach zwölf. 

LAOLA1: Ist die verstärkte Verlagerung auf die Skiroller vielleicht auch eine Chance, mehr in den Osten zu gehen, um dort mehr Talente zu finden?

Eder: Ich weiß nicht, wie realistisch das ist. Es ist keine große Neuigkeit, dass in Wien und Niederösterreich viele Menschen leben. Dort liegt generell viel sportliches Potenzial. Man könnte dort große Zentren für diverse Sportarten machen. Die meisten wird es wohl zum Fußball ziehen, aber beispielsweise wäre das auch für Tischtennis oder Eishockey eine Chance. Und vielleicht auch für Biathlon.

LAOLA1: Hast du schon einen Plan, wie es nach deiner aktiven Karriere weitergehen soll? Wirst du dem Biathlon erhalten bleiben? 

Eder: Es soll in diese Richtung gehen. Ich bin ja Bundesheer-Sportler. Mein Plan ist, beim Bundesheer zu bleiben. Ich kann mir gut vorstellen, als Trainer zu arbeiten. Wie das im Detail aussehen kann, wird sich aber erst zeigen. 

LAOLA1: Einen Schießtrainer Simon Eder können wohl viele gut gebrauchen. 

Eder: Ich habe tatsächlich ein bisschen etwas erlebt am Schießstand (lacht). Da gäbe es schon so manches weiterzugeben. 

LAOLA1: Vielen Dank für das Gespräch!

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